Öffnung der Institutionen – Umgang mit Diversität

Autorin: Ricarda Ettlin, socialdesign ag

Unsere Gesellschaft ist von Diversität geprägt – kulturelle Heterogenität ist heute Normalität. Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Werten, Hintergründen und Lebensentwürfen, die sich in ihren Kommunikations- und Repräsentationsmitteln unterscheiden, leben miteinander. Damit alle Bevölkerungsgruppen Zugang zu Ressourcen (z.B. Dienstleistungen und Arbeitsplätze) haben, sind Institutionen unserer Gesellschaft wie die Schule, die Gemeindeverwaltung, Vereine oder auch Firmen gefordert, sich dieser Diversität gegenüber zu öffnen. Wie funktioniert ein solcher Öffnungsprozess und was ist dessen Nutzen?

Die Institutionen unserer Gesellschaft sind in ihren Organisationsformen historisch geprägt. Im Kontext der heutigen kulturellen Heterogenität zeigt sich, dass diese Organisationsformen Zugangsbarrieren für gewisse Bevölkerungsgruppen beinhalten. Mit Blick auf Migrant:innen bestehen z.B. gesetzliche Barrieren (Aufenthaltsstatus; Anerkennung Diplome) beim Zugang zu Arbeitsplätzen. Sprachkenntnisse, unterschiedliche Kommunikationsverhalten und Informationslücken sind weitere Faktoren, die eine Inanspruchnahme von Dienstleistungen und den Zugang zu Arbeit behindern. Aus diesen Zugangsbarrieren entsteht eine indirekte oder mittelbare Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen.

Die Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) definiert diese Diskriminierungsform wie folgt: «Als indirekte oder mittelbare Diskriminierung werden gesetzliche Grundlagen, Politiken oder Praktiken bezeichnet, welche trotz ihrer augenscheinlichen Neutralität im Ergebnis zu einer nicht zulässigen Ungleichbehandlung führen».

Bei der Öffnung der Institutionen geht es also darum, Zugangsbarrieren abzubauen und damit indirekte Diskriminierung vorzubeugen. Ziel ist es, Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit zu begünstigen.

Konkret streben Institutionen die Öffnung aus verschiedenen Gründen an:

  • Verwaltungen, Spitäler und Schule haben z.B. einen gesetzlichen Auftrag, allen Bevölkerungsgruppen ihre Leistungen zugänglich zu machen.
  • Vereine suchen neue Mitglieder und möchten sich neuen Bevölkerungsgruppen öffnen.
  • Die Personalabteilung einer Firma will die Vielfalt der Arbeitnehmenden (z. B. sprachliche Kompetenzen, unterschiedliche Arbeitsmethoden und -erfahrungen) als Potential nutzen.

Die Öffnung der Institutionen ist ein Prozess: «bei der transkulturellen Öffnung geht es […] darum, einen tiefgreifenden und nachhaltigen Wandel der gesamten institutionellen Struktur und des Handelns aller MitarbeiterInnen herbeizuführen, um damit den Zugang von Minderheiten zu Dienstleistungen und Arbeitsplätzen zu verbessern.»*

Der Öffnungsprozess kann in vier Schritte aufgeteilt werden:

Schritt 1
Die Sensibilisierung bzgl. der indirekten Diskriminierung aufgrund gewisser internen Abläufe und Strukturen ist notwendig, damit Zugangsbarrieren überhaupt erkannt werden können. Oftmals ist es so, dass der Institution gar nicht bewusst ist, wie gewisse Regelungen, Erwartungen und Kommunikationsformen gewisse Bevölkerungsgruppen benachteiligen können.

Schritt 2
Eine Auseinandersetzung mit den Thema Diversität, möglicher Zugangsbarrieren und die Analyse des Handlungsbedarfs ermöglichen es, konkrete Massnahmen zum Abbau von diskriminierenden Regelungen und Praktiken zu entwickeln.

Schritt 3
Die Massnahmen werden umgesetzt.

Schritt 4
Wichtig ist, die Wirkung der Massnahmen zu überprüfen, um sicher zu stellen, dass die Zugangsbarrieren tatsächlich abgebaut wurden.
Die Schritte eins bis vier können in einen fortwährenden Kreislauf als Qualitätsmanagement und im Sinne einer lernenden Organisation wiederholt werden.

Öffnungsmassnahmen gibt es viele und müssen jeweils auf die Problemlage der Institution angepasst werden. Beispiele von Öffnungsmassnahmen sind:

  • Mehrsprachige Broschüren und Formulare bei der Gemeinde
  • Dolmetschdienste in Spitälern
  • Anonymisierte Rekrutierungsverfahren und gezielte Ausrichtung der Stellenangebote auf eine diverse Arbeitnehmerschaft
  • Selbstreflexion mit Ziel einer Überprüfung der Praktiken, was auch ein Wandel in den Köpfen und im Handeln der Mitarbeitenden bedingt (Vorurteile reflektieren etc.)

Die Institutionen ziehen einen Nutzen aus dem Öffnungsprozess. Zum Beispiel, indem sie die Vielfalt der Gesellschaft in der Mitarbeiterschaft abbilden profitieren sie von vielfältigen Kompetenzen und Erfahrungen. Gerade in Bereichen, wo die Institution mit ganz unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Kontakt steht, kann dies hilfreich sein. Ausserdem erschliesst die Öffnung der Institution Zugang zu neuen Arbeitskräften, ein wichtiges Argument im Kontext des Fachkräftemangels in bestimmten Sektoren. Für die Verwaltung und andere Institutionen, die gesetzlich festgelegte Dienstleistungen an die Bevölkerung erbringen, ermöglicht ein Öffnungsprozess die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags, indem sie auf die spezifischen Bedürfnisse einzelner Bevölkerungsgruppen besser eingehen.

Weitere Informationen

Leitfäden der Fachstelle für Rassismusbekämpfung

*Arn, Brigitte (2004). Öffnung von Institutionen der Zivilgesellschaft. Schweizerisches Rotes Kreuz SRK. Im Auftrag des IMES und der EKA, S. 16.